Deutschland bewegt sich

Die Aussage von Wirtschaftsminister Dr. Wissing, dass es in Deutschland eine große Zahl von Vorschriften und Verfahrenshemmnissen gibt, ist richtig. Seine Darstellung, dass nichts da­gegen unternommen wird, ist es nicht. Weiterlesen

Der Wirtschaftsminister hat bei den Bad Kreuznacher Wirtschaftsjunioren auf die überaus lange Verfahrensdauer bei großen, für unsere Infrastruktur wichtigen Baumaßnahmen hingewiesen. Er hat nur nicht erwähnt, dass die Große Koalition in Berlin aktuell Maß­nahmen ergriffen hat, um genau das zu ändern.

Denn just an dem Tag, an dem Wissing seine Rede hielt, hat der Bundestag, was auch in den Ländern bekannt ist, das Maßnahmengesetzevorbereitungsgesetz (MgvG) beschlossen. Sein Ziel ist der zügige Ausbau der Netze umweltfreundlicher Verkehrs­träger wie Schiene und Wasserstraße. Mit dem neuen Gesetz wollen wir ausprobieren, ob wir die Verfahren durch „Bauen per Gesetz“ beschleunigen können. Der Rechtsweg wird dadurch teilweise verkürzt, die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger blei­ben erhalten und das Parlament bekommt mehr Spielräume für alternative Planungen.

Die im beschlossenen Gesetz enthaltene Projektliste umfasst 14 Verkehrsvorhaben mit zentraler Bedeutung für das Gesamtverkehrssystem. Anstelle eines Planfest­stellungs­beschlusses als Verwaltungsakt tritt bei diesen Bauvorhaben ein auf die jeweilige Maßnahme bezogenes Baugesetz, verabschiedet durch den Deutschen Bundestag. Entsprechend steht der normale Rechtsweg über die Verwaltungsgerichte nicht offen. Gegen Bundesgesetze können Betroffene nur vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

Der Bundestag hat bei solchen Maßnahmegesetzen nicht nur eine Gesetzgebungs- sondern auch Umsetzungsfunktion. Die fachlich zuständigen und die regional betroffe­nen Abgeordneten werden den Planungsprozess von Beginn an begleiten. Basierend auf dem Abschlussbericht der Planungsbehörden wird das Parlament eine eigenständige Entscheidung zu vorgelegten Varianten treffen und dabei auch die Einwände der Betroffenen in besonderem Maße berücksichtigen.

Dabei hat der Bundestag wesentlich mehr Spielraum für pragmatische Konsensfindung als die Planungsbehörden, die die engen Grenzen des Bau-, Haushalts- und Immissionsrechts nicht verlassend dürfen. Im Ergebnis sollen Planungsprozesse in Form von Maßnahmengesetzen schneller sein, deutlich konstruktiver verlaufen und für mehr Akzeptanz sorgen.

Wir erhoffen uns von diesem Gesetz auch Hinweise auf eine grundlegende Verfahrens­beschleu­nigung, die auch an anderer Stelle, bei kleineren Vorhaben, einfließen können. Das mag einigen nicht schnell genug gehen, aber wir leben in einem Rechtsstaat und müssen die Anwohner- und Beteiligteninteressen genauso wie Vorgaben des Umwelts­chutzes ausdrücklich schützen. Das hat mit ‚Schnarchmodus‘ nichts zu tun. Deutschland bewegt sich wie immer vorsichtig. Aber es bewegt sich.